Bombay, das moderne Epizentrum des Fortschritts. Des Durcheinanders. Und allem was dazwischen liegt. Summend wie ein Bienenschwarm. Von weit oben scheint er geschäftig, elektrisiert, rastlos, wie ein verknoteter Ball aus Neon und Metall und Beton. Doch der mikroskopische, matte Blick des Filmemachers oder Dichters enttarnt die Bienen und ihren Schwarm. Das Summen ist mal böse, verzweifelt, müde, betäubt, orgiastisch, abhängig, wogend, gemäßigt und eine Million andere Dinge. Und das Auge des Dichters beobachtet, der Mund wird vor Erwartung trocken und steckt private Wörter an diese Flügel.

Für dieses Festival wollte ich diese Flügel, Wörter und so weiter der jungen Filmemacher/Dichter/Soundkünstler aus Bombay sammeln. Grammatik, Form, Inhalt, Gedanken, Intention und Neigungen überließ ich voll und ganz den Autoren.

In dieser Stadt wird viel Poesie verfasst, aber leider wird sie nicht visuell festgehalten. Klangkünstler machen Musik, aber auch ohne dass es jemand bildlich dokumentieren würde. Die jungen Künstler in diesen zwei Bereichen zu motivieren war eine wirkliche Aufgabe. Aber am Schluss gab es viele, die in ihre Filme Gedichte und Sounddesign integrierten. Es war wichtig, sich nicht von der Form oder dem raffinierten Inhalt davontragen zu lassen, sondern die Essenz von Bombay oder Mumbai, wie man es heute nennt, mit den Arbeiten der Künstler zu verbinden. Es ging nicht darum, Bombay in ihren Arbeiten wiederzufinden, sondern um den psychischen Einfluss der Stadt auf ihre Seele während des Schaffensprozesses.

Literatur und Prosa

Der Gedichtband von Devashish Makhija (Poetry is in the silences) bekräftigt die Tatsache, dass man Poesie nicht lesen kann, sondern sie leben muss in der Stille, die die Stadt nie anbietet. Stille im Krieg und Geschrei des Alltags zu finden, ist ein Kampf für sich, was die Essenz seiner Gedichte ist. Dev erlebt die Stadt nicht aus der Sicht eines Dritten, sondern jedes Wort des Gedichts lebt und versteht die Stadt auf seine Weise.

Der Film

An die Kurzfilme zu kommen, war kein Problem, denn es gibt viele öffentliche Kurzfilmforen in der Stadt. Die Arbeiten von Anand Gandhi waren leicht auszuwählen, denn wir sehen viele Arbeiten und diskutieren sie regelmäßig. Anands Continuum ist ein sehr gutes Beispiel, wie der chaotische Fluss dieser Stadt eine Million Gefühle in einem perfekt zusammenfließenden Strom verschlingt, in dem sich jede Emotion auflöst.

Der Sound

Die zyklische Natur von 36KHz (Sounds: Urban Hippy Project; Visuals: DeCOY) ist Bombay. Nichts ändert sich. Der konstante Zyklus mit kleinen kosmetischen Veränderungen zeigt, wie sehr der tägliche Kampf in dieser Stadt den Soundkünstler dieses Programms beeinflusst und repräsentiert Bombay bestens.

Und was ist Bombay? Ein Amalgam aus jedem nur erdenklichen menschlichen Gefühl, Zustand, Träumen, Zielen, Vorstellungen und Konflikten in diesem Land. Man kann diese Stadt nicht kennenlernen, indem man über sie liest oder sie auf der Leinwand sieht. Man muss in der Mitte eines Platzes stehen, und die Stadt wird alle Sinne und Organe unseres Körpers ansprechen.


Rajat Nagpal, Kurator

Geb. 1979 in Bombay; Absolvent des National Institute of Design, Indien.

Autor, Regisseur, Kameramann, Drehbuchautor, Cutter für Kurzfilme, Film- und TV-Serien, Animationsserien, Werbespots und Spielfilme.

Literatur und Prosa

POETRY IS IN THE SILENCES

Von Devashish Makhija

Eine Zugfahrt von einer „Megalopolis“ in die andere – besonders, wenn man die eine verlässt, um sich kopfüber in die andere zu stürzen – kann viele existentielle Fragen aufwerfen. Vielleicht hat diese Fahrt von 40 Stunden – die meinen urbanen Nabel abklemmte, während ich auf ratternden Metallrädern quer durchs Land fuhr - für immer meine Sicht auf das Leben in einer großen Metropole verändert. Bombay (umbenannt in Mumbai aus politischen, nicht historisch-kulturellen Gründen, wie es immer heißt) war ungleich größer, beängstigend heterogener und ungeduldiger als meine Geburtsstadt Kalkutta (umbenannt in Kolkata aus ähnlich verdächtigen Gründen). Desillusioniert von meiner Arbeit in Kolkata, kam ich nach Mumbai – eine impulsive, abrupte Entscheidung, unlogisch dazu. Ich verließ mein Zuhause auf dem Höhepunkt der quälenden Zweifel, dass es keinen Ausweg mehr gibt, sobald ich die höchste Sprosse dieser sehr kleinen Leiter erreiche. Und verlor schnell das letzte bisschen Interesse an meiner Arbeit, falls es überhaupt noch eins gab.

Ich kam nach Mumbai mit 24 Jahren, um wer weiß was zu tun. Heute, mit 29, wenn ich auf die ersten fünf Jahre hier zurückblicke, glaube ich, der Gipfel in dieser besonderen Disziplin ist erreicht!

Zuerst hat Mumbai mich entsetzt und überrollt. Hier war ein Zuviel an… Menschen, Fahrzeugen, Gebäuden, Reklamen, Bussen, Hämmern, Meißeln, Verkehrszeichen, Namen, Stationen, Krähen, Explosionen, Leben, Zeitschriften und Todesfällen. Mehr, als ich vorher jemals sah oder mir vorstellen konnte. Schnell begriff ich, dass ich ein unwichtiger kleiner Punkt war. Das beunruhigte mich sosehr, dass ich Trost in Gedichten suchte. Zurück in meinen kleinen Raum am Ende der Welt kriechend, nachdem ich dreimal den Bus und den Zug gewechselt hatte – ein Pendeln, das den letzten Tropfen Schweiß herauspresste, den letzten Sauerstoff aus den Lungen und den letzten Grund, in dieser Stadt zu bleiben – fiel ich auf meine Matratze in der Küche und bekritzelte Papier. Angst, die einen aufwühlte und billig war, formte sich zu Worten, hielt sich, klammerte sich an meine Seite. Und meine Gedichte über die Megalopolis kamen ans Licht.

Heute bin ich im Grunde ein frustrierter Sänger, frustrierter Grafikkünstler, frustrierter Vogelbeobachter, frustrierter Filmemacher, frustrierter Schriftsteller, frustrierter Philanthrop, frustrierter Comiczeichner, aber ein befreiter Dichter. Also völlig nutzlos, über andere Möglichkeiten während meiner schlaflosen Nächte nachzudenken. 43 Jobwechsel, ein Dutzend verschiedener Berufe, neun Apartments (einige geteilt, andere besetzt), endlose rastlose Optionen und viele kreativ geschriebene Abschiedsbriefe später ist das einzige, was meine zerrissene Seele zusammenhält, die Poesie. Sie half mir, dem Irrenhaus Mumbai einen Sinn abzutrotzen… und nicht aus diesem Hühnerstall zu fliehen.

Aber nicht ein Tag (und eine Nacht) vergeht, ohne dass ich meine fatale Entscheidung überdenke. Aber dann greife ich nach meinem Stift, reiße ein Blatt Papier heraus und während sich die Worte herauswinden, wird alles hoffentlich endlich gut.

Film

Anand Gandhi (geboren 1980 in Bombay) schrieb die Dialoge für die ersten 80 Episoden von Kyunki Saas Bhi Kabhi Bahu Thi und das Drehbuch für die ersten 40 Episoden von Kahaani Ghar Ghar Ki. Das wurden die beliebtesten Shows in der Geschichte des indischen Fernsehens. „Es gab einen großen Paradigmenwechsel in meiner Ästhetik, seitdem ich zuletzt für das Fernsehen vor sieben Jahren gearbeitet habe. Ästhetisch gesehen, gefallen mir die beiden Soaps überhaupt nicht.“

Gandhi ermöglichte Workshops für Film, Theater, Erziehung, Philosophie, Mythologie und Kreatives Schreiben für Lehrer und Schüler in vielen Schulen und Colleges des Landes, einschließlich das Film & Television Institute von Indien. Vier Jahre lang spielte er eine sehr wichtige Rolle bei der Gründung und Leitung der Abteilung der Alok Ulfat Avikal Initiative für Leben und aktives Lernen in Mumbai, ein alternatives Theater und verwandte Kunstbewegungen.

Er hatte Jobs als Grafikdesigner, Werbetexter, Lyriker, Animateur und Webentwickler zwischen seinen Projekten.

Neben Continuum schrieb, produzierte und führte Gandhi Regie bei dem 30minütigen Kurzfilm Right Here, Right Now (2003) – ein Film über die Zyklen von Kummer und Freude.


Continuum

39 Minuten, 2006

Co-geschrieben, co-produziert, Co-Regie von Anand Gandhi zusammen mit Khushboo Ranka

Der Film erzählt einfache Geschichten aus dem Alltag, Popkultur und Folklore, die die Kontinuität von Leben und Tod untersuchen, von Liebe und Paranoia, von Handel und Wert, von Bedürfnis und Erfindung, von Hunger und Aufklärung. Er kulminiert in dem Höhepunkt, auf dem die Geschichten nicht länger existieren als einzelne Fäden in ihrem eigenen Vakuum, sondern miteinander spielen um ein kosmisches Ganzes zu bilden.

anandgandhi.deviantart.com

www.cyclewalaproductions.com/press.htm

Das Soundprojekt

36KHz (36 Minuten)

Von Urban Hippy Project & DeCOY

Wenn zwei sich bewegende Metallstücke miteinander in Kontakt kommen, breitet sich eine Druckwelle in ihnen aus. Diese Welle nennt man den Druckimpuls, und sie findet bei einer Frequenz von 36 kHz statt. Gleichzeitig schnellen die Objekte zurück und fangen an zu vibrieren, bis die Energie verschwunden ist.

Urban City Projekt & DeCOY wenden dieses Phänomen auf den Alltag in der Stadt an und arbeiten mit dem Aufeinanderprallen von Stadtbewohnern. Dieser Mensch-zu-Mensch-Kontakt schafft ein Hintergrundgeräusch von Druckwellen und wird in unserem kollektiven Bewusstsein als soziale Erfahrung reflektiert.

Eine Zugfahrt, die Menschen von einem lebendigen Chaos in eine untertriebene Stille führt. Die junge Leute heranführt an neue Träume, Technologie und Leben.

Der Alltag oszilliert mit seinen Lautsprechern, Leuchtschriften, Reklametafeln, Feuerwerken und visuellen Reizen, verbunden mit 1000 Watt menschlicher Energie, für immer - als Seele der Stadt.

Konstant bleiben die Sounds und Visionen, Hintergrund und Soundtrack für unsere Loops.

Die Musik von Urban Hippy will diese Struktur mit dem Sound einfangen – das Muster von Bewegungen der Bewohner, die immergleichen Aktivitäten und das Tempo der Stadt in Bewegung - und versucht, der grafischen Kurve der Druckwelle zu folgen.

DeCOY spielt mit visuellen Mustern und kurzen Momenten der urbanen Erinnerung und verwebt sie mit dem darunterliegenden Beat der Stadt.

36 KHz ist die erste Zusammenarbeit von Urban Hippy Project und DeCOY.


Sounds: Urban Hippy Project (Himanshu Pandey & Manoj Kurien)

Kontakt: +91 9867615750, himanshux@gmail.com

Urban Hippy Project

Die Band begann 1997 als Nebenprojekt von Manoj und Himanshu (aka baba G & Mojo), als sie Gitarre bei der Hardrockband Southern Cross spielten. 2001, nach ihrem letzten Gig mit der Band, konzentrierten sie sich mit ein paar Freunden auf den Sound von UHP, aber ihr Sound blieb sehr folklastig und homogen bis 2005. Dann entdeckten sie elektronische Musik, und in ihrem Sound trafen sich nun Folk- und Hippy Sounds ebenso wie Elektro, Industrial und Dark Core. Himanshu und Manoj sind die Köpfe der Band und beschreiben ihren Sound als Elektro-Folk.


DeCOY

aka Dhanya Pilo ist VJ, die gern mit Bildern spielt und Geschichten zu bewegten Bildern formt. Live wird damit die Musik vervollständigt, und DeCOY nutzt ihr Talent als Filmemacherin und Fotografin, um Visuals zu schaffen, die Indien ein neues Gesicht geben. Düster, glücklich und ruhig. Dhanya arbeitet als Filmemacherin, Designerin und visuelle Künstlerin in ihrem Studio in Bombay. Sie ist VJ bei verschiedenen Musikformationen und DJs in Bombay. DeCOY bereichert 36KHz mit Bildern, poetisch und voll urbaner Hektik.


Visuals: DeCOY (Dhanya Pilo)

VJ & Komposition bei: STUDIO PILO

Kontakt: +91 9892546361, dhanyapilo(at)gmail.com
www.dhanyapilo.com